Sprache der Dinge – Language of Things

Materialität, Realität und Konfliktivität in Museologie, Archäologie und anderen dinglichen Wissenschaften / Materiality, reality and conflictivity in museology, archaeology and other material sciences


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Das Kykladische Museum in Athen / The Cycladic Museum at Athens

Cycladic Museum Athens sprachederdingeblog

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Athen im Mai 2015 beinhaltete mehrere Tage voller Museen. Und dann nochmal Museen, und dann noch mehr und noch die Fundorte. Ach, und Museen! Wenn an jeder Ecke ein Fundort liegt, bleiben dutzende Museumsbesuche nicht aus.

Das Kykladische Museum  (hier der kurze deutsche Wikipedia-Eintrag dazu) war jedoch ein besonderer Fall, denn dieses Museum basiert nicht auf einem Fundort in oder um Athen, sondern auf dem Inhalt verschiedener privater Sammlungen, die sich unter dem Dach des Kykladischen Museums zusammengeschlossen und durch weitere Ankäufe seit der Gründung in den 1980er Jahren vergrößert haben. Auch der Name ist etwas irreführend, denn es geht nicht um die Kykladischen Kulturen, sondern nur teilweise um diese und dann um das gesamte archaische und klassische Griechenland, bis etwa in die römische Zeit.

Generell: dieses Museum hat vier Stockwerke, voll mit Objekten. und was sofort auffällt: alle Stockwerke sind in einer durchgehend durchdachten Art & Weise eingerichtet und doch hat jedes Stockwerk seinen eigenen Charakter. Gleich im ersten Stock geht es um die Dinge, die dem Museum seinen Namen gaben: die Kykladische Kultur. Wunderbare Statuen, Keramiken und andere Objekte werden in einer sehr zurückgenommenen, dunkel gehaltenen und eleganten Art & Weise präsentiert, es gibt viel Platz um den Objekten nahe zu kommen, sie zu betrachten und die Information zu verarbeiten.

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Das zweite Stockwerk ist den Archaischen Kulturen Griechenlands gewidmet, das dritte der Bronzezeit und das oberste schließlich der Klassischen Periode – dem, was wir heute häufig als “typisch griechisch/klassisch” erkennen. Jedes Stockwerk ist farblich durchdesigned und v.a. Stockwerk 3 und 4 haben relativ viele technische Zusatz”spiel”möglichkeiten im Programm: Videos, interaktive Bildschirme. Gerade das oberste Stockwerk war zudem so gestaltet, dass hier Objekte und Abbildungen von Vasen oder Reenactment-Fotos sich ergänzen. Dies macht viele Objekte verständlicher, und Videos und Fotos machen das Ganze dann noch plastischer. Allerdings ist hier den Machern doch manchmal etwas die Hand ausgerutscht, denn wenn die Infotafeln gut gemacht sind und weder zuviel noch zuwenig Information hergeben, wurde offensichtlich alles andere in die elektronischen Medien gesteckt, sodass selbst gestandene Mittelmeer-Archäologen an meiner Seite nicht recht wussten, wie sie mit soviel Information umgehen sollten. Interaktive Tafeln für Kinder, die den Mittelmeerverkehr mit Schiffen zeigten, waren zwar auf griechisch und englisch gestaltet, hatten dann aber soviel einander überlagernde Informationen, dass wir nicht mehr wussten, wer wie wohin segelte, warum und was “unser” Schiff gerade anstellte.

Wer, wie ich, wenig Ahnung von archaischer und / oder klassischer Antike in Griechenland hat, lernt hier viel und die zurückgenommene Darstellung der Objekte, und das Herausheben einzelner Objekte in wunderbar ausgeleuchteten Vitrinen  macht es auch zu einem ästhetischen Erlebnis. Die verschiedenen Ausstellungsdesigns der einzelnen Etagen heben die einzelnen Perioden voneinander ab, und ermöglichen es dem Besucher, sich durch eine doch erhebliche Masse von Objekten zu bewegen ohne zu ermüden. Neue Anreize fürs Auge und das Hirn beugen Erschöpfung vor, gleichzeitig sind alle Stockwerke aber immer noch so zurückgenommen im Design, dass man sich trotzdem wohl und nicht überfrachtet fühlt.

Insgesamt war dieses Erlebnis eine sehr relaxte Angelegenheit, wobei die elegante Ausstattung und die zurückgenommene Darstellung einen großen Einfluss hatten. Leider hatte ich dann doch einige Zweifel bezüglich der Herkunft der Objekte, die, wie in vielen anderen Museen in Athen, nie angesprochen wird. Das ist mir ein Rätsel, denn offenes Umgehen mit diesen schwierigen Themen wäre eigentlich angebracht? Hier wird “Herkunft” einfach herausgenommen. Die Objekte stehen im Vordergrund, so wie es auch die Ausstellungsoptik vormacht. Fundgeschichte – inexistent.

Problematiken wie Looting etc werden ausgespart, der Besucher mit schönen Objekten “bombardiert”. Ein offensiverer Umgang mit diesem schwierigem Thema wäre traumhaft, so muss man sich mit einem wunderschönen, durchdesignten Museum begnügen, dass ganz auf die Schönheit des Objekts setzt.

ENGLISH VERSION

Athens in May 2015 consisted mainly in visiting museums. Day after day, I went to other museums, to site museums, archeological sites and the like. Oh, and  – museums! Did I mention the museums?

The Cycladic Museum (see the brief wikipedia entry here) was a special case as this museum is not (even in a broader sense) a site museum, but is based on the contents of different private archaeological collection, that have been united under the roof of the Cycladic Museum, being increased through acquisitions from the 1980s onwards. Even the name is somewhat misleading, as this museum does no ONLY present cycladic art (although it does) but presents objects from all over classical and archaic Greece up to the Roman Period.

This museums has four storeys, full of objects, and even more objects and what comes to mind immediately is: these storeys have been meticulously designed so that each one of them has its own character. The first storey is about the Art that gave the museum its name: Cycladic Art and Cycladic Culture. Wonderful statues, ceramics and other objects are presented in such an elegant way, relaying on dark colors and spotlights, that one is tempted to approach each object as a treasure. There is much space to have a look of each of the objects, to read and pass time with each of the statues and pots.

 

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The second story is dedicated to the archaic cultures of Greece, the third to the Bronze Age and the fourth and last one to the “classical Greece”, things that even non-archaeologist would recognize as “typically greek”. Each story follows its own color code, and story 3 and 4 present a lot of technical gimmicks: videos and interactive screens. And it was the froth story that presented in addition a presentation where vases and photos of greek vase painting intertwined with photos and videos that depict the scenes from the pottery with actual people. In this way, vases and reenactment intertwine and complement each other – a feature that I liked very much, but my companions found rather dreadful. Unfortunately, the implementation of interactive elements went a little bit far, because information was so overcrowded in these features, that I was unable to follow any of the bits of information found. Even knowledgable colleagues didn’t know how to use these features meaningfully. And besides: most of the interactive features were designed for children, not even for adults. So, if I feel overcrowded with detailed information on the mediterranean shipping traffic in the Bronze Age, than a child of say 6-8 years would be as well, trust me.

People like me, with a limited knowledge on archaic and classical Greece learn a lot due to the presentation of information next to the objects, and the perfect design of the museum makes a visit an aesthetic experience as well. The different exhibition designs create different atmospheres  and the visitor is able to move through a LOT of objects without feeling to overwhelmed. New stimulation for the eye and the mind prevent exhaustion facing dozens and dozens of pots, armours, textiles, stone objects. But even so, each story is at the same time presented in a rather withdrawn way so as not to overpower the visitor.

Generally speaking, this experience was a really relaxed visit to a great museum. But there is a dark side as well. I had rather serious doubts about the provenience of the objects, a fact that is not faced in any Athenean museum. IN the Cycladic Museum, with its roots and history in private collections, this problems seemed even more pressing. I couldn’t understand why this topic is not faced anywhere in the museum, not even in a minuscule information. “Provenience” is not a topic. Full stop. The objects are in the foreground, beautifully presented and cherished. The objects history – inexistent.

So in the end, the visitor is “bombarded” with a most exquisite and beautiful presentation of beautiful objects. But an offensive handling of such a difficult topic would have been great. As it is, we have to content ourselves with a beautifully designed museum, which is putting all its weight on the beauty of objects without a history.


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Fundorte & Museen: Kerameikos und Agora in Athen / Sites and Museums – Kerameikos and Agora at Athens

Agora Athen sprachederdingeblog

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Kerameikos und Klassische Agora, das waren zwei Ziele, die oben, sehr weit oben auf der Athen-Liste standen. Gar nicht weil ich vorher endlos viel darüber gelesen hätte, sondern weil ich mich von einem lange vergangenen Besuch an überall herumstehende Säulen und Ruinen erinnerte. An mediterranes Abendlicht und klassisches Flair. Also wurden Kerameikos, der lange genutzte Friedhof vor den Toren Athens und die angrenzenden Areale Athens HINTER diesen Toren, sowie die Agora, das alte Stadtzentrum mit seinen öffentlichen Bauten, eines der obersten Ziele der Reise. Beide präsentieren nicht nur abgegrenzte archäologische Areale mit immer noch andauernden Grabungen mitten in der Stadt, sondern auch gleichzeitig Museen im Fundort selber, die Objekte ausstellen die eben dort gefunden wurden.

In beiden Fällen liegen die Fundorte mitten in der Stadt. Abgegrenzt durch hohe Zäune, mit Eintrittshäuschen  und Wächtern versehen, sind sie nicht nur historische Stätten sondern auch Orte der Ruhe innerhalb des lauten, hektischen Athens. Mit Gräsern und Wiesenblumen überwachsene Ruinenstätten, durchsetzt mit offenen, kleinen Grabungsschnitten, einer Infotafel hier und dort. Und: relativ wenig Menschen. Im Hochsommer, so sagte es eine Kollegin, sei es hier viel voller. Ende Mai scheint eine wunderbare Zeit zu sein um diese Stätten zu besuchen und sie fast alleine sehen zu können!

Beide Stätten sind auch absolut kinderfreundlich. Hier wäre ich gerne mit der Familie gewesen! Viel Platz zum Laufen, Sitzen, etwas Essen. Zum Angucken, erklären, herausfinden. Wichtige Gebäude oder Grabungen sind abgesperrt, aber das lässt immer noch 90 % Platz um sich hier einmal auszulaufen und dabei trotzdem museologisch-archäologisch unterwegs zu sein. Beide Fundorte bieten derartig viel Platz, dass man locker als Erwachsener eine Stunde dort herumlaufen kann – und dann hat man immer noch nicht alles gesehen. Und der parkartigen Charakter mit vielen Bäumen und Bänken machen Kerameikos und Agora gleichzeitig zu einer Ruhestätte. Sitzen, auf die Akropolis oder andere Ruinen schauen…. weitermachen. Wunderbar.

Information auf dem Gelände ist jedoch in beiden Fällen eher spärlich gesät. Wer nicht weiß, was er sieht, kriegst auch nicht raus, es sei denn er googelt es gleichzeitig. Nur wenige, ausgewählte Infotafeln geben einen Überblick über das ganze Gelände und die einzelnen Areale oder Gebäude tragen nur winzige Steintäfelchen mit Aufschriften wie: “Tholos“. Aha. Wenn mir nicht jemand erklärt hätte dass dies der Ort sei an dem sich die Athener Magistraten zum Essen und Schlafen trafen um auf Staatskosten ihre Arbeit zu Verrichten – es hätte sich mir nicht von alleine erschlossen! Insofern also: Infos lieber dabei haben. Oder vorher lesen. Oder eben einfach nur den Ort genießen, ohne Infos.

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Hat man genug gestromert, könnte man auch ins Museum gehen?! Denn es ist ja gleich innerhalb des Zaunes. Im Falle des Kerameikos hat man ein wunderhübsches, kleines Museum dazugebaut, dass viele Funde des Kerameikos zeigt ohne dabei überladen zu wirken. Information ist hier gegeben, aber doch eher für einen sehr interessierten Besucher. Trotzdem ist die übersichtliche, ruhige Disposition der Funde, die chronologisch geordnete Keramikgalerie und der statuenübersäte Innenhof einen zweiten Blick wert. Auch wer sich in griechischer Archäologie nicht auskennt wird von der Aesthetik der Objekte angezogen.

Im Falle der Agora ist es sogar noch besser. In den 1960er Jahren hat man eine der Stoen rekonstruiert, komplett mit allem Drum und Dran – und ein Museum darin geschaffen. Man wandelt also in einer klassischen griechischen Stoa (ich gebe zu: ich habe die Rekonstruktion nicht auf historische Genauigkeit überprüft), denkt an die Philosophen und betritt dann ein schönes, klassisches Museum. Etwas altmodisch gehalten, aber mit wunderbar übersichtlich gestalteten, genau richtig geschriebenen Informationstexten. Einigen Rekonstruktionen von Gräbern oder Zeittafeln und Vitrinen, die im langen Innenraum der Stoa rechts und links in chronologischer Reihenfolge Material aus den Grabungen auf der Agora zeigen. Schlicht und gut! Wer am hinteren Ende den Saal wieder verlässt, kann noch das obere Stockwerk erklimmen – ganz den Statuen und Büsten gewidmet. Im Freien, wie auf einer riesigen Balustrade, überblicken sie die Agora. Dahinter gibt es die Räume für die Konservatoren und Restauratoren, und Einblick in ein offenes Depot des Agoramuseums, das durch größere Fenster sichtbar wird. Alles in allem ein wunderbares, wirklich traumhaft schönes Erlebnis.

Gerade die Zusammenarbeit von Fundorten und Museen machte das Ganze zu einem Moment, der das vorbyzantinische Athen wiederaufleben lässt. Die zwei- oder gar dreisprachigen Beschriftungen machen das Lesen auch für Touristen möglich und die offene, wenn auch schlicht eher klassische aufgebauten Ausstellungen ermöglichen es, sich einen Überblick über die Geschichte des vor den Türen des Museums liegenden Ortes zu verschaffen.

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ENGLISH VERSION

kerameikos

The Kerameikos and the Classical/Ancient Agora, these were two spots that were on the top of my list in Athens. Not because I read a lot about them beforehand but because I remembered a lot of columns and ruins standing around at the centre of Athens from a past visit. And I remembered classical flair and soft evening light on white marble. To catch up with these memories I put Kerameikos, the cemetery in front of the classical Athens gates as well as the Agora, the old city centre with its public buildings on top of the list. Both do not only represent archaeological areas with still ongoing excavations but also site museums, exhibiting objects found “on the spot“. Both sites are situated right in the centre of Athens. Cut off by high fences, with a pay kiosk and with guardians, they are not only historical places but also spots of quietness in noisy, hectical Athens. Dotted with flowers and trees, ruins covered in vegetation, an information board here and there. Some ongoing excavations, small ones. And: very few people! At the height of summer, I was told by a colleague, there will be hundreds around. It seems that the end of may is a great moment to visit Athens and have these sites almost to yourself!

Both sites are totally compatible when travelling with children. I would have loved to visit them with the family! There is so much space to sit around, walk, run, eat something. To look at, to explain, to explore. Most important ruins/buildings, and the ongoing excavation sites are closed off, but that still leaves at least 90 % of the whole site to explore and to have your own archaeological-museological experience! Both sites offer so much space that you can walk around for 1-2 hours and there are still areas left that you wouldn´t have visited. And the park-like appeareance of both transform Kerameikos and Agora into spaces of rest, as well. Sit down, gaze at the ruins, at the Akropolis…. and go on. Its wonderful.

Information on the site is rather sparse. If you don´t know what you´re looking at, than you won´t know what it is – unless you have a smartphone with internet. Only very few information tables offer further data on the ruins, and small stone panels offer the name of some of the ruins you´re looking at. Something like: “Tholos“. Okay?! Without the explanation of a friend I wouldn´t have ventured to interprete the small circular ruin as the place where athenian Magistrates met to do their duty and spend the night working, eating, sleeping. So: rather have a look at the site information beforehand. Or have a guide with you. Or you may choose just to enjoy the place, without any explanations.

When you´ve spent enough time outside, let´s venture into the site museum!? Because its right here. In the case of Kerameikos there was a nice new museum building with a central patio and light, white galleries. It has the most spectacular of Kerameikos´ finding on display, without being overloaded with objects. The patio and the galleries offer an overview and information about the digging history of the German School at Athens which is still investigating the site (which explains the inforamtion offered in Greek, English and German…). Its the tranquil, well-arranged form of exposition, the chronological order of the display and the statue-peppered patio that contribute to the wish to stay and have a second look at everything. And even persons who are not familiar with Greek Archaeology will be attracted by the simple aesthetics of the objects on display.

The Ancient Agora is even better. If this could get any better…. in the 1960ies one of the Stoas has been reconstructed, complete with everything – and the site museum has been created inside. So you wander around in a classical greek Stoa (I admit that I didn´t check for historical correctness but rather enjoyed the feeling of it….), thinking of the philosophers and then you enter a beautiful, classical museum. Its a little bit outdated in its exhibition fashion, but its well-arranged, and well-informed. Reconstructions of graves and other finds, time tables and the big vitrines arranged on the long sides of the museum hall offer a chronological overview of the development of the Agora. Simple – and so good! When leaving the museum you will do so with a sound knowledge about what has happened on the site until the 9century AD. And, if you like, you may then climb up to the first floor and wander around between greek and roman statues on display on an open terrasse with a view of the Agora and the Akropolis in the background. And a view of the open depot of the Agora Museum as well…. its an absolutely beautiful place to be.

It is especially the liason between the sites and their museums that make a visit into a special moment that can revive pre-byzantine Athens for a visitor. It offers a very haptic way to “feel” ancient Athens, and even if more inforamtion ON the sites would have been nice, the experience remains all the same: beautiful.

 


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Das Neue Akropolis-Museum in Athen / The New Acropolis Museum at Athens

New Acropolis Museum sprachederdingeblog

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Eigentlich wollte ich ja über das Museum etwas später schreiben, sozusagen meine Athener Erfahrungen erstmal sacken lassen. Da aber vor einigen Tagen neue Bewegung in den Fall der Elgin-Marbles gekommen ist, ist es vielleicht ganz schön, dieses Museum vorzuziehen und hier gleich einzubinden. Immerhin wurde es ja hauptsächlich deshalb gebaut, um den Parthenon-Friesen, die heute im British Museum ausgestellt sind und um 1820 nach Großbritannien kamen, eine neue/alte Heimat zu bieten.

Das Neue Akropolis-Museum hat auf jeden Fall zwei Seiten. Eine ist die politische. Die andere die museologische. Und beide gehen Hand in Hand, was eine Beschreibung nicht einfacher macht!

Als politische Forderung der Rückgabe der Parthenon-Friese (auch bekannt als Elgin Marbles im eher englischsprachigen Raum) beruht auf der Annahme, die Friese wären von Lord Elgin unrechtmäßig nach Großbritannien ausgeführt worden (zusammengefasst etwa hier letzthin beschrieben). Andererseits beharrt das British Museum darauf, dass die Ausfuhr und auch der spätere Ankauf durch das Museum rechtmäßig waren, da es hierfür Dokumente geben soll (hier in kurzer Form dargestellt). Ich möchte hier gar nicht einsteigen, denn weder bin ich in der Diskussion wirklich kundig, noch gibt es hierfür den Platz. Eine schöne, längere Einführung zu diesem sehr kontroversen Thema findet sich im Buch “Loot” von Sharon Waxman, das ich hier schon einmal vorgestellt habe, neuere Entwicklungen kann man  im Internet unter dem Stichwort “Parthenonfries Rückgabe” (oder ähnlich) sehen.

Auf jeden Fall geht es hier nur vordergründig um die Frage ob Friese (un)rechtmäßig ausgeführt wurden – eigentlich geht es um Fragen von Kolonialismus. Ähnliches geschieht seit Jahren mit dem Fall Nofretete in Berlin, in dem auch immer wieder Debatten angestoßen werden, die eigentlich auf Dokumenten und rechtlichen Fragen beruhen, die eigentlichen (post)kolonialen Fragen aber außen vor lassen.

Aber eigentlich ging es ja nun um das Museum an sich. Sichtbar ist das Museum bereits, wenn man am Parthenon steht und auf die XXXX Seite Athens hinunterblickt. Gleich hinter dem Dionysos-Theater findet sich das Museum, ein heller, gläserner Bau. Kommt man dem Gebäude näher, sieht man vor allem eines: der Eingang ist vertieft, darüber erhebt sich ein verglastes Gebäude, dessen oberster Stock fast völlig einsehbar ist. Selbst von draußen sind die Stücke des Parthenons-Frieses, Repliken, etc. schemenhaft erkennbar. Unter den Füßen sieht man die Ausgrabungsstätten der Umgebung der Akropolis zwischen 500 vC  – 700 nC, die, so wie sie sind, ins Museum integriert wurden und später begehbar sein sollen. Bislang liegen sie einem zu Füßen.

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Da übrigens das Museum Fotos nur an sehr ausgewählten Orten erlaubt, sei hier auf die Website verwiesen, die viele Fotos anbietet. Meine Fotos stammen von den Außenbereichen. Und noch ein kurzes Wort zu Familien & Kindern. Zwar war ich in diesem Museum alleine, es gibt aber mehrere Kinderecken, spezielle Kinderführungen und Kinderinformationen. Familien erhalten wohl einen speziellen Familien-Pack am Eingang, mit Gadgets für Familien mit Kindern. Mein Favorit war die nachgebaute Akropolis aus Legosteinen!

Auf jeden Fall: Dieses Museum ist mehr als ein Museum. Es ist ein Ort der Einkehr in die klassische Welt, so wie Griechenland und die Besucher sie sich wünschen. Räumlich so großzügig geschnitten dass selbst die vielen Besucher sich verlaufen und man sich alleine, ungestört fühlt, in ruhiger Betrachtung der Statuen, Keramiken, Friese. Ein unglaublich schönes Gefühl, gerade wenn der Blick aus den Glasfronten immer wieder gegenüber auf die Akropolis fällt, deren Parthenon die gleiche Ausrichtung und Größe hat wie das oberste Stockwerk des Museums. Der Genius Loci ist hier zuhause.

Mein Studium der Klassischen Archäologie dauerte nur 2 Semester und endete aufgrund der Sinnlosigkeit von Diskussionen über die Handhaltung zerbrochener Statuen. Zusammengefasst kann ich sagen, dass mir die Irrelevanz dieses Studienfaches für mich selbst damals klar wurde. Trotzdem übt die Antike, das Aufkommen der Demokratie und die griechischen Stadtstaaten immer noch eine Faszination aus, die vielleicht auch kulturell bedingt ist. Akropolis und Neues Akropolis-Museum waren also ein Magnet in Athen und ich habe die verständlichen, nicht zu langen, aber auch nicht zu kurzen Texte genossen, die mir Überblick über die einzelnen Phasen der Entwicklung der Akropolis und des alten Griechenlands im Allgemeinen boten. Ich mochte die Statuen, die Keramiken, die wunderbare Beleuchtung. Sei es im Tageslicht, durch die riesigen Glaswände, oder im Aufgang bei eher weichem Licht für die Keramiken. Helle, weiße Oberflächen wiederholen die Idee der weißen Antike, so überholt diese auch sein mag. Und dieses Weiß schafft eine helle, ruhige Atmosphäre.

Innerhalb des Museums gibt es insgesamt 3 Stockwerke, die die verschiedenen Areale der Akropolis wie auch die unterschiedlichen zeitlichen Phasen abbilden, sei es in Keramik oder den Statuen. während es im Treppenaufgang um die Akropolis und ihre einzelnen Areale geht, ist der erste Stock vor allem der archaischen Akropolis mit ihren Dutzenden von Korai (Votivstatuen junger Frauen) gewidmet. Der Zwischenstock birgt einen der beiden Museumsshop, das Café, die Karyatiden und Informationen zum Parthenon.

Der oberste, dritte, Stock ist ganz den Parthenonfriesen gewidmet, denn das Parthenon ist hier architektonisch nachgebildet, sodass man sowohl die inneren wie auch die äußeren Friese in der Größe und Aufrichtigen sieht wie es auf dem Parthenon der Fall wäre, das sich hinter dem Fenster auf der Akropolis erhebt. Idee war hier, die – zurückbekommenen ?! – Teile der Friese wieder einzufügen sodass das Parthenon im Museum praktisch aufersteht. Da dies aber nicht der Fall ist, hat man sich bislang mit den Originalen beholfen, die in Athen verblieben sind sowie mit einigen Repliken. Viele Paneele bleiben auch einfach leer. Ihnen gegenüber immer wieder die Möglichkeit zu sitzen, zu schauen. Einzelne Statuen und Infotafeln geben weitere Informationen zum Parthenon, dem Stil, einzelnen Details, der Nachvollziehung dargestellter Szenen, die ja teilweise nur noch schemenweise sichtbar sind.

Wer um diese Galerie im 3. Stock herumwandert, bekommt jedoch hauptsächlich eine gefühlte Idee davon, wie es gewesen sein mag, im alten Athen das Parthenon zu betreten und sich dort aufzuhalten. Es ist ein großartiges Gefühl, und das sage ich jetzt als klassisch recht unbeschlagener Mensch, der sich einfach der Schönheit und dem Genius Loci hingibt. Ich kann keine Analysen zu den Statuen liefern, ich kenne auch nicht alle mythischen Geschichten dahinter. Und ich habe keinen Audioguide. Ich laufe einfach nur ganz in Ruhe um die Galerie herum. Innen und außen in der Galerie, betrachte die vorhandenen oder nicht vorhandenen Paneele und sinniere über die Geschichte. Es ist ein sehr besonderes Museum mit einem besonderen Gefühl.

Obwohl ich im Museum keine explizite Information zum Thema der Rückgabefrage gefunden habe, machen die Paneele in der obersten Galerie sehr deutlich, was hier fehlt. Auch der zweite Besuch gab keine Informationen darüber her, ob und wie hier mit dem Thema der Rückgabe des Frieses umgegangen wird. Auch die offiziellen Bücher im Museumsshop konzentrieren sich auf die Objekte, und nehmen keinen Bezug auf Politisches. Wer nichts über die politische Seite der Akropolis weiß, wird hier nicht informiert, es geht schlicht und ergreifend um das Klassische Athen. Und das wird hier auf wunderbar gestaltete Weise wieder lebendig.

New Acropolis Museum Athens sprachederdingeblog

Legomodell der Akropolis – New Acropolis Museum Athens sprachederdingeblog

ENGLISH VERSION

Actually, I wanted to write about this museum a little bit later on, lets say when my Athenian experiences settled down a bit. But as there have been movements in the case of the Elgin Marbles in the last few days, I decided to do it right away. Because the New Acropolis Museum was built to house the whole of the Parthenon Frieze (the parts being currently in Britain also known as Elgin Marbles) and to offer a new home of all of the frieze in Greece. So, the New Acropolis Museum definitely has two sides to it: a political. And a museological. Both go hand in hand, which doesn´t help when describing this beautiful museum.

The political claim of restituting the Elgin Marbles is based on the assumption that these were taken away by Lord Elgin on an illegal basis to Great Britain in the 19th century (see a short version of the events here). On the other hand, the British Museum refuses this claim on the basis of the legality of the export and later buying of the marbles by the museum because of certain legal documents presented at that time (have a look at this part of the discussion here). I don’t want to take sides in that, I have no deep knowledge of the case, nor is this the place to do it. If you´d want to have a longer, more detailed introduction to it, have a read at the part of “Loot” of Sharon Waxman that deals with the Elgin Marble – topic. Newer developments are avaibale at the internet.

Anyway, the question of the friezes coming back to Greece and if they were exported illegally in the first place is a rather superficial question. Actually, the question(s) and the debate(s) are on colonialism. Similar things are happening around the topic of Nofretete in Berlin, where claims of restitutions are being issued on a rather regular basis. Based on legal documents, these also draw on post(colonial) questions, that are being left out in the legal debate.

But, this blog post was to be on the museum itself, which is visible even from the Acropolis. If you’re standing at the Parthenon you can devise it on the other side, directly behind the theatre of Dionysos. Its a building in light color, with a lot of glass, and when you come nearer you’ll see that it is partially subterranean. But even from the outside you can make out parts of the Parthenon frieze inside, you may see parts of statues, or replicas. Below your feet is a glass floor through which you can see the excavations of the surroundings of the Acropolis from 500 BC up to 700 AD and at some point, when the excavations are complete and the whole subterranean area has been conservated, you ´ll may visit these excavations – by now they’re only visible form above.

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Something on the side: the museum unfortunately allows to make photos only in very restricted and selected areas, so all my photos are from the outside buildings. You may have a look at the website, which offers nice photos of the museum. And a short aside to the topic of families and children: I went alone this time, but I was informed that families get a special family-pack at the entrance with educational gadgets and the like. Different children’s areas exist, together with quiet reading areas. There are special informations for children, children tours – and I liked the lego model of the Acropolis best!

In any case: this museum is more than a “Museum”. Its a location of contemplation of the classical world, such as Greece and the visitors would like it to be. Spatially, the museum is so large that even huge amounts of visitors find sufficient space and you may feel alone, undisturbed in your quiet gazing at statues, ceramics, friezes. I went to the museum twice, on Friday evening and sunday afternoon, and even with masses of people going there on sunday it had a quiet quality to it, mainly based on the high ceilings and the overall spatial disposition of its rooms and galleries. Its a wonderful feeling to be there, especial when your view is diverted every now and then to the acropolis right across the street, looming up high in an greek sky of pure blue. Through large glass panes the Parthenon itself is visible, showing the same size and orientation as the top floor of the museum. Genius Loci is at home here.

My studies of Classical Archaeology only went on for a year and that has been some time ago. They ended because of what I felt was the senselessness of ongoing debates in class about the original disposition of a hand of broken statues and the like. I must admit that the relevance of these details never got to me – I am more fond of actual interpretation of data, be they from excavations, surveys or analysis. But nevertheless, Antiquity, the rising of European democracy and the greek city states radiate a fascination which may be culturally induced but work nevertheless. In me and many other people! The Acropolis and the New Acropolis Museum thus were one of my main sights to be seen in Athens and I rather indulged in the not too short – not too long information texts the Museum offers on the development of the Acropolis, especially in Archaic and Classical times. I admit, I just liked the statues, the ceramics, the wonderful lighting. If its in daylight, through massive glass panes, or in the entrance ramp in a soothing light with the ceramics. White, translucent surfaces keep up our idea of the White Antiquity, as outdated as that may be. And white creates a clear, quiet atmosphere.

After getting an introduction to the surroundings of the Acropolis via the excavations below your feet, you’ll be informed on the Acropolis and the Sanctuary of the Nymph, with a side dish of Athenian Marriage in classical times. Another sector of the entrance ramp offers information on Greek everyday life. And while the first floor is entirely dedicated to the archaic Korai (early votive statues) and early Acropolis, the second floor holds a cafe, a museum shop, a reading area and the Karyatides. The top floor is dedicated to the Parthenon, as we know it by now – the classical one.

So, the top floor, dedicated to the Parthenon friezes, has been remodeled to match the Parthenon. You can see whatever´s left of the friezes in the same size and orientation as the Parthenon itself up in the Acropolis would have been. The inner and outer friezes (their replica or even blank spaces) are presented in a way that corresponds to the original, antique disposition. The whole idea of this floor was to include the friezes now in London and other parts of the world so that the visitor may get an idea of the original Parthenon – as this is not the case and may parts of the frieze remain abroad, replicas have been filled in in some areas, others stay just blank. Single statues on the side and additional information is offered to give more information on the Parthenon itself, the styles, several details of the frieze and so on.

New Acropolis Museum Athens sprachederdingeblog

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Whoever wanders in this gallery, gets a feeling of how it my have been to enter the Parthenon in classical times and to stay there. Its a wonderful feeling  – and I say this mainly as a person with no scientifically induced feelings towards Antiquity. But even so, you can feel the beauty, the genius loci. I couldn’t analyze the statues in any archaeological or art historical way, I don’t know all the mythical histories behind their stories. I don’t use an audioguide. I just walked along, sat down, gazed, wandered again. Again and again I contemplated the panels and thought about history. I may gaze up to the Acropolis and then around me again. This is a very special museum with a very very special feeling to it.

Although I couldn’t find any information on display concerning the restitution debate, the panels in the Parthenon gallery just make it clear what is lacking here. Even a second visit didn’t reveal any written information on this sensible topic. And the books at the museum shop offer “only” architectural and art historical information. If you don’t know anything on the political side of this museum and its objects you won’t get to know it here. It´s about Classical Athens. And this comes alive in this museum in a wonderful way.

New Acropolis Museum Athens sprachederdingeblog

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70 Jahre Kriegsende: Berlin integriert 1945 ins Heute. / 70 years after the end of WWII: Berlin integrates 1945 into today.

70 Jahre Kriegsende sprachederdingeblog

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In den letzten Tagen (seit dem 21. April) tauchten sie auf: Stellwände, riesig an prominenten, touristisch überlaufenen Stellen Berlins: vor dem Brandenburger Tor, am Potsdamer Platz. Und auch woanders. Und dann noch als Plakat in der U-Bahn und wo man sonst so eben vorbeikommt. Ganz in Übereinstimmung mit vielen anderen Gelegenheiten, zu denen Berlin seine Geschichte sehr prominent in den Alltag integriert (etwa hier oder hier beschrieben), sind auch diese Open-Air-Ausstellungen eine Möglichkeit, sich mit der Geschichte der eigenen oder der besuchten Stadt auseinanderzusetzen.

Großformatig zeigen die Macher der Erinnerungsaktion zum 70. Jahrestag des Kriegsendes am 8.5.2015 Bilder eben dieser Plätze im Mai 1945. Steht man direkt davor, ist es ein Zeitfenster – denn drumherum steht das, was da eben heute so steht: Restauriertes, neu Gebautes. Man schaut genauso in die Vergangenheit wie jemand, der im Mai 1945 an eben dieser Stelle vorbeigekommen wäre. Sieht man die großformatigen Plakate etwa in der U-Bahn setzt der Effekt ein, den ich bereits in “Geschichte allerorten” beschrieben habe: man denkt als Berliner an die Plätze so wie man sie heute kennt und immer wieder besucht.

Wie etwa hier beschrieben wird, ist diese Iniative von verschiedenen berliner Kulturprojekten organisiert, darunter die Berliner Unterwelten, Gedenkorte, Museen, etc. thematisch geordnet an den unterschiedlichen Ausstellungsorten. Die offizielle Internetpräsenz Berlins gibt mehr Auskunft zu den einzelnen Aspekten der Open-Air-Ausstellungen und auch zum intensiven Rahmenprogramm rund um den 8.5., getragen von Lesungen, Festakten, Führungen, Filmreihen und anderem.

Im Großen und Ganzen sind diese öffentlich zugänglichen Erinnerungsmomente eine wunderbare Sache. An einem Festakt nehmen nur sehr wenige Menschen teil, und meist sind es Politiker oder hochrangige Menschen, Zeitzeugen. Das wars dann auch. Geschichte geht uns aber alle an und bezieht sich auch auf uns alle. Wir alle machen Geschichte – deshalb sollte Erinnerung auch etwas sein, das uns allen zugänglich ist. Die Ausstellungs- und Programmreihe Berlins zum Jahrestag des Kriegsendes (in der DDR als “Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus” bekannt) ist ein gutes Beispiel hierfür.

 

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ENGLISH VERSION

In the last days, since the 21st of April, huge movable photo walls have appeared at the most popular places of Berlin: at the Brandenburg Gate, at the Potsdamer Platz and other touristic places. Other, slightly smaller versions of these photo walls can be seen at metro stations and other locations you will pass regularly when living in or visiting Berlin. Accordantly to other opportunities when Berlin integrated its own history into everday life (such as here and here), these open air expositions are a possibility to remember the history of your own city – or the city your visiting.

At huge photo walls the organizators of this commemoration campaign of the end of the Second World War at May 8th 1945 show photos of how these samne places looked like in May 1945. When you are standing right in front of them, its like looking into a window into history: you are seeing what a passer-by in 1945 would have seen when standing at the same place as you, right now. And around you, there´s what today is: new or restorated buildings. If you look at the photos at the metro, you´ll be experiencing the effect that I described in “History at every pace“: as an inhabitant of Berlin you´ll compare inconsciously the places as you know them now with the photo.

As has been written here, the campaign has been organized by different cultural projects of Berlin, memorial places, museums, associations. The photo walls follow a thematically organized order, and the official Berlin website offers more information on the different aspects of these open air expositions and the intensive framework program associated with them at the days right before the 8th of may.

generally speaking, these “open access”-remembrance opportunities are something that I favour very much. At a ceremonial act there are only very few people involved: mainly politicians, contemprary witnesses and the like. And thats it. But History is something concerning all of us and embraces all of us. We all MAKE History – and thats why all of us should have the chance to participate in the remembrance of History. The exhibitions and framework programs evolving around the 70 years of the end of WWII in Berlin are an example of how you can get this right.

70 Jahre Kriegsende sprachederdingeblog

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Heute: Archäologie & Popkultur? Archaeologik schreibt dazu!

Heute möchte ich gerne einen Artikel des Blogs Archaeologik weiterverlinken, denn das Thema “Archäologie & Popkultur”, Archäologie als Marke etc. sind ein großes Thema, über das wir zumindest mal nachdenken sollten!
Rainer Schreg hat dazu großartig gebloggt:  http://archaeologik.blogspot.de/2015/04/archaologie-im-dienst-von-pop-kultur.html

Und übrigens: Rainer Schreg spricht auf der DFUG-Tagung zum ähnlichen Thema. http://archaeologik.blogspot.de/2015/04/schafft-sich-die-offentlichkeit-eine.html


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Ich Mann – du Frau. Gender in der Archäologie im Archäologischen Museum Colombischlössle Freiburg. / Me man – You woman. Gender in Archaeology at the Archaeological Museum COlombischlössle.

Ich Mann - Du Frau Colombischloessle sprachederdingeblog

Mann? Frau? Und: warum Mann oder Frau? “Ich Mann – Du Frau” im Colombischloessle. sprachederdingeblog

Großartigerweise habe ich es tatsächlich geschafft, die Ausstellung zu besuchen bevor sie wieder schließt. Aber wichtig: sie ist verlängert worden! Bis zum 17. Mai 2015! Deshalb gleich hierzu Anfang der Rat: Besuchen Sie diese kleine, feine Ausstellung. Kein Zögern, die Reise lohnt sich.

Das Archäologische Museum Colombischlössle in Freiburg im Breisgau, ist ein wunderbarer, kleiner, luftiger Bau mit einem lichtdurchfluteten inneren zentralen Treppenhaus, um das herum sich die Säle mit den Dauer- und Wechselausstellungen gruppieren. Klein, aber fein, deshalb sind es auch “nur” 1 Raum im Keller, 4 Räume im Erdgeschoss und noch einmal soviele im 1. OG. Die Größe hat aber nichts mit der Qualität zu tun. Heute und hier erstmal der Update zur Sonderausstellung “Ich Mann, du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?“, demnächst dann auch zur Dauerausstellung!

Die Sonderausstellung nimmt das gesamte Erdgeschoss ein und empfängt einen bereits neben dem Treppenaufgang mit rot-blau gestalteten Badezimmern. Inklusive Spiegeln, in denen man sich sehen kann. Bin ich eher der männlich, blau gehaltene Typ? Oder doch eher das süßliche Rot-Pink? Das ist aber auch das einzige Mal, in dem die Ausstellung diese Genderrollen vorführt. Denn die Ausstellung an sich verzichtet ganz bewusst auf farbliche Zuordnungen, die Wiederholung von Genderrollen und dergleichen, sondern fokussiert sich vor allem auf Eines: das Hinterfragen dieser Stereotypen. Und das macht sie so dezent, dass man erst einmal selber immer wieder in die typischen Mann-Frau-Zuschreibungen reinfällt, bevor ein kleiner Ausstellungstext, eine Frage an der Wand oder eine schlichte Information einen zurückholt und aufzeigt, dass man gerade selber das gemacht hat, was man typischerweise meistens macht: Dinge zuordnen. In Schemata, die uns anerzogen sind und uns seit Jahren begleiten.

Gehalten ist die lichtdurchflutete Ausstelung in den Farben hellbeige. Texte werden auf einem rot-blau-gemusterten Grund gegeben, der einen seltsam unzuschreibbaren Lila-Ton ergibt. Also genau im Sinne des “Nicht-Zuordnen-Könnens”! Und schon bevor dem Betreten des ersten Saales gibt eine kleine Texttafel Ausdruck davon, worum es hier geht. Gender-Zuschreibungen: sind sie “normal”? Zeitbeständig? Einfach “gegeben”? Oder entsprechen sie eben nicht vielmehr dem jeweiligen Jetzt, sind gesellschaftspolitisch gewollt und forciert?

Jeder Raum steht unter einem Motto, das an der Wand Aussagen trifft., wie etwa: Die Archäologie gibt den Objekten ein Geschlecht. Großartige Aussage, klar formuliert, und dazu eine Aussage, die einen stutzen klässt. die ARCHÄOLOGIE gibt den Objekten ein Geschlecht? Sind denn die Geschlechterrollen nicht fest und immer gegeben? Heißt das also, dass WIR daran beteiligt sind, dass diese Rollen vergeben werden? Aktiv? Also: wir könnten das auch anders machen? Nachdenken setzt ein.

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Die Ausstellungsstücke an sich werden erst einmal ganz neutral, ohne Zuschreibungen präsentiert. Vor hellem Grund, in kleinen Vitrinen. Schaut man sich die Objekte und Objektensembles an, merkt man selber wie man sich ein Bild dazu macht. Gold, Schmuck? Frauen! Falsch. Hier sind es mächtige goldene keltische Halsringe (torques) die von beiden Geschlechtern getragen werden. Zwei Grabensemble mit Skelett und Topf? Sicher Frauen! Nein – hier liegt der Teufel im Detail. Das Grab mit Topf und Knöpfen gehört der Frau, das mit Topf und Pfeilspitzen dem Mann. Und so geht es in jedem Raum, immer etwas themaitsch geordnet? Welche Objekte werden denn voin der Archäologie Männern & Frauen zugeordnet? Darum geht es im ersten Saal? Und was ist mit paläolithischen Figurinen, die swohl weiblich als auch männnlich sein können? Und was ist mit den Goldringen in Saal 3? Mit den Skeletten in Saal 4? Wer wird wie bestattet? Und vor allem, immer wieder: welche Rolle spielen die Archäolog*innen bei der Zuschreibung der Geschlechter aufgrund von Objekten? Natürlich können manche Stereotypen widerlegt werden, wenn weitere Wissenshcaften wie etwa die Anthropologie Skelette als weiblich/männlich identifizieren können und usneren Objektzuschreibungen damit widersprechen. Der Mann mit den beiden Kindern im Grab. Der Weber. Alles Dinge, die wir intuitiv erst einmal ganz anders eingeordnet hätten.

Problematisiert wird jedoch hier auch ganz stark, was geschieht, wenn einfach nur Objekte da sind. Objekte, denen WIR eine Rolle zusprechen. Objekte, die durch uns sprechen und Dinge sagen, die WIR als natürlich empfinden – nicht vielleicht jedoch ihre Nutzer in der Vergangenheit. Das wird immer wieder angesprochen und in Begleittexten auch ganz deutlich thematisiert. Wie etwa das Thema Visualisierungen: zeichnerische Rekonstruktionen zeigen häufig das, was der Zeichner als normal und üblich findet – nicht immer aber die Realität der Vergangenheit. Rollenzuschreibungen zeigen das, was der Ausgräber und Interpreteur als normal emofindet – nicht das, was die Menschen der Vergangenheit für ihre Lebensrealität hielten.

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Über die gesamte Ausstelung hinweg wird diese sehr einfache und hocheffektive Strategie durchgehalten. Objekte fordern unsere zuschreibung geradezu heraus – wer in sich hineinhört bekommt klare Antworten. Mann – Waffen. Frau – Schmuck. Selbst mit sensibilisiertem Auge gelingt es mir nicht, diese Zuordnungen nicht automatisch aufkommen zu lassen. Und durch die wirklich kurzen Texten an den Vitrinen und die längeren, eindeutigen, reflektierten Texte der Wandtafeln wird all das, was der Kopf automatisch produziert, in Frage gestellt.

Ich Mann – Du Frau” ist eine der besten Ausstellunge, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Nicht nur, weil sie eben diese Problematik sichtbar macht und Sterotypen des Sehens hinterfragt. Sondern auch, weil sie Probleme der Archäologie sichtbar macht. Wer trifft hier die Zuschreibungen? Warum? Wie dienen diese politischen und gesellschaftlichen Wünschen? Ganz klar haben es die Austellungsmacher hier gemacht: Archäologie ist keine neutrale Wissenschaft. Sie trifft Zuschreibungen, die gesellschaftspolitischen Einfluss haben. Die Ansprüche zementieren – oder diesen widersprechen können! Sie öffnet dem ublikum die Augen dafür, dass es an uns liegt, hier Einfluss zu nehmen. An uns als Wissenschaftler*innen und an uns als “Publikum” – wir alle können beeinflussen was und wie wir sehen und Rollen zuschreiben. In diesem Sinne war der letzte Raum auch die logische Fortsetzung der archäologischen Objekte: hier können an einem Baum Fotografien angefasst werden. Männer und Frauen schauen uns an, auf der ückseite ihrer Fotografien steht, wer sie sind und was sie machen. Das nette junge Mädchen eine Fallschirmjägerin? Der bärtige Herr ein Sozialarbeiter?

Und was schaut uns aus den Spiegeln an, die dazwischen hängen? Wir selbst. Wer sind wir und was machen wir selber aus unseren Rollen?

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Was ist meine Rolle? Ich Mann – du Frau. sprachederdingeblog

 ENGLISH VERSION

Let me have one thing clear before I start off: Its just great that I made it to this exposition! Before it ends! And, beware: its open till may 17th, so go there and visit. You wont regret it.

The Archaeological Museum Colombischloessle at Freiburg /Breisgau in South Germany is a wonderful, small, breezy building with a light-flooded inner staircase, around which all the rooms are situated. Its small but great – even if its “only” one room in the basement, 4 rooms at the ground floor and another four at the first floor, used for the permanent and non-permanent exhibitions. So, size is not a criterion for quality! Right here and today I´ll write about the non-permanent exhibition “Me man – you woman. Fixed role models since the beginning of time?” (“Ich Mann – du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?”), and at some later point I´ll also do something on the permanent exhibition as well.

The special exhibition can be seen in 4 rooms at the ground floor and welcomes you right next to the counter. There, you’ll be facing tow bathroom interiors, complete with tooth brush, cosmetics and mirrors where you may see yourself. Do you feel attracted to the blue, masculine version? Or rather the sweet little pink one? That´s the only point where gender roles are being simply „repeated“ at the exposition. All the other objects, texts, even the exhibition design are carefully aimed at challenging our present gender role models gently but forcefully. And a small text makes this clear, before you even enter the first room. There are no typical assignations of color, repetitions of gender roles and the like. The exhibition centers on the challenging of these culturally induced roles – and it does so very gently. You´ll be noticing that you automatically assigned gender roles when you look at the objects and the exposition will make you notice that you did. So, its YOU that’s assigning here. You are putting seemingly “neutral” objects into categories you yourself assign to them. Welcome to the patterns that you learned all your life – and now try to unravel them visiting this great exhibition.

The light-flooded rooms are designed in a rather neutral white, peppered with texts and sentences on violet ground, made out of minuscule red and blue squares. So: is it red – or is it blue? Can you name it? That’s right what the exhibition is all about. Why are you so sure of a color? Or of a gender role model? Are these assignations “always there”? Or have they been ascribed by us? Aren´t they rather socially induced, favored by political currents?

Every room has a motto that is displayed prominently at the wall: “Archaeology assigns a gender to objects”, for example. Great, clear statements that make you wonder: so, Archaeology assigns sex and gender? Are these roles not just a given thing that Archaeology “unearths”? Does this mean that we are implicated when it comes to these assignations? Do we have an active role? Which means: we can change these roles? Challenge them?

The objects themselves are being presented in small display cases, neutral and without any adscription of gender and sex. If you look at them, you assign gender automatically, based on your culturally educated mind. Gold, jewelry? Women! Wrong. These are celtic neck rings (torques), worn originally by men and women alike. Two burials with one pot each? Women! Wrong again. The details show that the skeleton with a pot and buttons is a woman, the one with a pot and arrowheads is a man. And so it goes on, every room shows one aspect of these adscriptions. Which objects are traditionally assigned to men and women by archaeologists and non-archaeologists? That’s the point in the first room. The second focusses on Paleolithic figurines that can be interpreted as men or women. In many cases the adscription can be at least doubted. And what about the neck rings in room 3? The burials in room 4? Who is being buried which way? Is a skeleton with weaving implements automatically a woman, displaying thus just our own gender adscriptions to certain tasks?

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And, above all: what’s the role of archaeologists in these adscriptions? Of course, some stereotypes can be challenged, especially when other disciplines have a hand in getting more details on the objects and the skeletons concerned. Many times I would have assigned gender roles automatically to all these objects and this is just the point: when there is only an object, just one find. In this case we almost automatically assign gender to this object and its use. The objects speak to us, but we can only understand their language when we assume that it’s the same cultural language as ours. And it may differ greatly from the cultural use of them in the past, in their original site and place. This dilemma is displayed in every room, again and again: The assignations of gender and sex are ours. Whether if it´s in scientific texts or visual reconstructions: we play our role in stabilizing our own gender roles and transporting them to the past. I´ve never in my life seen this problem publicly displayed. Short, poignant texts outline the influence of scientists in the adscription of gender roles to past cultures, thus consolidating our own gender roles. What we perceive as normal role models is being transported to the past, many times without any doubts. But is it not about the reality of the past instead of inducing our IDEA of the past?

The whole exhibition is focused on challenging these perceptions. And it does so with a highly simple and effective strategy: The objects challenge us to assign our gender roles automatically – if you listen to yourself you´ll always get clear answers by your unconscious. Weapons? – men! Jewelry, pots? – Women! Even with a certain sensitization I have not been able to prevent this automatic reaction to the objects. But the short text at the display cases and the longer ones at the walls show you that you´re simply wrong. Differents sciences are putting so many data together that stereotypic assginations are just not longer possible. But even with all these data, its our mind that assigns roles. Your mind played a trick and the reality has been totally different from your assumption.

Me Man – You Woman” has been one of the best exhibitions I’ve seen lately. Not only because it shows the problematic adscriptions of gender and makes clear how stereotypic our ideas and assignations are. But also, because it clarifies the problems of archaeology itself. Who makes these assignations? Why? How does this serve the current political and social backgrounds? The exhibition shows that archaeology is no neutral, nice science working in an ivory tower. Our doings affect how we all see the past – and if the past is a mere simple extension of the present or not. Archaeologists have a job that influences sociopolitical currents. We can go with the flow – or not. We can challenge gender role models – we as archaeologists and we as the public. This exhibition makes it very clear that its up the very one of us to take our choice. So, the last room of the exhibition is the clear statement of this active role everybody can have. It has only one object in it: a tree with many small photographies of ordinary people. On the back, there are the professions of these people, and they, as well as the whole exposition contradict our automatic perception of the person on front. The nice little woman – a former professional army parachutist? The man with the formal beard and suit – a social worker?

And what is it between these photos? Small mirrors. Look at one and you will see: yourself. Who are you and what role do you choose?

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Nimrud zerstört – “ein Verlust für die Archäologen”

Dass der IS mit archäologischen Funden Geld verdient und im illegalen Antikenhandel unterwegs ist, ist mittlerweile weithin bekannt. Auch was das für Auswirkungen auf die Archäologie und das Kulturerbe hat, ist sowohl von Zeitungen als auch von Bloggern immer wieder gesagt worden. Im deutschen Netz vor allem von Archäologik (hier alle Einträge mit dem Label “Irak”), im englischsprachigen zeigt mir mein Reader immer wieder die Beiträge von Conflict Antiquities. Ich wollte dazu bislang nicht Stellung nehmen, da der Antikenhandel ein sehr sehr komplexes Thema ist. Vor wenigen Tagen dann die Nachricht über die Zerstörung von Kulturgut im Museum. Darüber konnte ich nicht schreiben, weil mir von der dogmatischen Verbohrtheit von Fanatikern aller Art einfach nur körperlich übel wird.

Und nun das: Nimrud soll planiert worden sein. Diese Nachricht verlangt für mich nach einem Schnaps und einer Zigarette um den Schock zu überwinden. Es ging durch alle Medien und auch meine Facebook-Timeline war voll davon. Unter anderem schickte mir das Deutsche Archäologische Institut einen Link zur Stellungnahme von Margarete van Ess zu diesem Thema. Dieser wurde im ZDF heutejournal am 6.3.15 publiziert und ist hier noch abrufbar (Suche mit: Datum 6.3.15, “IS zerstört antike Stadt Nimrud”).

Wörtlich sagt Frau van Ess: “Die Zerstörung dieser Königsresidenz ist, wenn sie vollständig ist, ein absolut unwiederbringlicher Verlust für die Archäologie. Dieser Ort war wirklich sehr reich ausgestattet, sehr großzügig gebaut was die Architektur (…) angeht. Für uns Archäologen ist das wirklich ein fürchterlicher Verlust.

Ich weiß nicht, ob das ZDF das Interview mit Frau van Ess sehr verkürzt wiedergegeben hat. Sollte der Beitrag des ZDF um genau einen entscheidenden Teil gekürzt worden sein, wäre das sehr schade und eine Aussage in sich.

Aber die Aussage, dass die Zerstörung von Nimrud ein Verlust für die Archäologen und die Archäologie sei, geht so völlig am Punkt vorbei, dass es mich schmerzt. Fundorte sind nicht für Archäologen geschaffen, sie bilden einen Teil der Menschheitsgeschichte und sind daher für alle von uns wichtig. Genau das gibt ihnen auch ihren Stellenwert und fordert den öffentlichen Aufschrei angesichts ihrer Zerstörung ja heraus. Der IS nutzt die öffentliche Zerstörung von Kulturgütern um seine Widersacher herauszufordern. Menschheitsgeschichte als Geisel – nicht mehr und nicht weniger als noch eine weitere “westliche Geisel”, die man köpfen und nach Belieben foltern kann. Nimrud bietet sich an, weil es auch noch groß und “reich ausgestattet” (M. van Ess, s.o.) ist – das gibt mehr Punkte auf der Aufmerksamkeitsskala. Dass die Zerstörung von Nimrud für Archäologen eine Katastrophe ist, ist völlig klar.

Es ist aber nur ein winziger Teil dessen was diese Zerstörung impliziert: die Vernichtung eines Teiles der Menschheitsgeschichte, die nicht in das Weltbild von Dogmatikern passt. Warum Frau van Ess, die in anderen, sehr ausführlichen Portraits der Printmedien durchaus als Vermittlerin zwischen Wissenschaft und Gesellschaft dargestellt wird (etwa hier), in diesem wichtigen Interview sich nicht klar äußert ist mir absolut schleierhaft. Interviewed vom Heute-Journal wird etwa auch ein namenloser Mann auf der Straße in einer irakischen Stadt: “Antiquitäten sind nicht nur für Iraker sondern für die ganze Menschheit. (…) Das ist ein Verbrechen an der Menschheit.

Diese Aussage hat das Hauptsächliche absolut erfasst. Hier geht es nicht um die Archäologen und ihre Wissenschaft. Hier geht es um unser aller kulturelles Erbe und die Möglichkeit, eine Facette der Vergangenheit bestehen zu lassen. Egal, wie man sie interpretiert, der Respekt gegenüber der Menschheit zwingt uns, sie allen offenzuhalten.

Diese Aussage würde ich mir in aller Deutlichkeit von Archäologen wünschen, die in der Öffentlichkeit eine Stimme haben. Deren Stimme mit Gewicht von den Medien gesucht, angefragt und veröffentlicht wird und die Tausende erreichen. Der Beitrag von Frau van Ess, den das DAI zudem auch noch über Facebook weiterverbreitet als wäre er eine Trophäe, gehört leider nicht dazu.

 

 

 


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Archäologie & Politik oder: die Relevanz von Archäologie auf dem Pausenflur. / Archaeology & politics, or: the relevance of Archaeology discussed at the coffee break.

sprechende dinge Naturkundemuseum Stuttgart

sprechende dinge Naturkundemuseum Stuttgart

Archäologie & Politik – ein großes, sehr großes Thema. Momentan beschäftige ich mich gerade damit, denn erstens geht mir dieses Thema seit mehreren Jahren im Kopf herum und zweitens werde ich es Ende Juni auf der ADLAF-Nachwuchs-Tagung in Berlin in einem Kurzvortrag vorstellen.

In Gesprächen mit Bekannten, Kollegen, Freunden sehe ich immer wieder, dass nur sehr wenige Menschen die Relevanz des Themas sehen. Immerhin reden wir hier ja über vergangene Zeiten, nichts was uns jetzt direkt betrifft. Oder? Vergangenheit ist eben vergangen – wie sollte uns das heute betreffen? Meine Faszination und auch meine Vorsicht bei diesem Thema reichen bis weit ins Studium zurück, noch in die Fast-Vor-Internet-Zeiten.  In der Fakultät (und zwar bezeichnenderweise auf dem Pausenflur) erwähnte jemand die Verstrickung der deutschen Ur-und Frühgeschichte in die Volk&Raum-Ideologie der Nazis. Ich war elektrisiert. So eine aktuelle Verbindung von Vorgeschichte und heutiger Zeit? Das war mir nicht bewusst gewesen – und es war Mitte/Ende der 1990er Jahre auch nie Thema im Studium – außer eben auf dem Flur.

Noch aktueller wurde es dann jedoch während meiner eigenen Forschungen in den Südanden ab dem Jahr 2000. Immer wieder wurden meine Forschungsergebnisse in Vorträgen angefordert und dann gerne mittels interessierter Nachfragen dahin gelenkt, dass sie zeitgenössische politische Interessen unterstützen sollten. Es dauerte ein wenig, bis ich dem entgegentrat und die Daten, die ich gesammelt hatte, als DATEN zur Verfügung stellte – dann aber nicht davon ausging, dass sich das schon irgendwie regelt sondern diese Daten durch ein Monitoring auch in ihrer weiteren Verbreitung etwas begleitete und mich gegen direkte Instrumentalisierung verwahrte, wenn es mir möglich war.  Ich glaube immer noch, dass es nicht darum gehen kann, archäologische Daten erst zu “generieren” und diese dann im Sinne von “Damit hab ich nix mehr zu tun” in den angeblich leeren, neutralen Raum der Wissenschaft zu stellen. Jeder Archäologe sollte sich bewusst sein, dass Daten politische, gesellschaftliche Relevanz haben und man Verantwortung dafür trägt (s.a. Link zur “Nation Chichas“).

Die Verbindung der Ur-& Frühgeschichte mit der Kulturkreis-Idee und der daraus hervorgehenden Volk-&-Raum-Theorie der Nazis sind in den letzten Jahren recht detailliert aufgearbeitet (s. Bibliographie). Was aber heute & hier passiert, darauf sind wir im Praktischen selten vorbereitet. Denn immer noch heißt es: du schreibst auch für Nicht-Wissenschaftler? Du vermittelst deine Daten in Vorträgen die NICHT auf Fachpublikum zugeschnitten sind? Das ist doch vulgarisierte Archäologie! Wo sind deine Fach-Publikationen? Was soll der Sinn der Vermittlung deiner Daten sein, wenn du sie an Nicht-Archäologen weitergibst? Diese und anderen Antworten habe ich häufig gehört und dasselbe auch von Kollegen erfahren, die ihre Ergebnisse ebenfalls für andere Menschen außerhalb der Academia publizieren.

Aber in der Praxis ist es doch so: wir arbeiten in einem gesellschaftlichen Kontext, den unsere Daten interessieren. Cornelius Holtorf hat die Gründe hierfür für westliche Kulturen aufgearbeitet, aber je nach Land ist die Umgebungssituation mehr oder weniger interessiert an Archäologie, häufig sind Menschen in konfliktiven gesellschaftlichen Situationen (wie etwa in Ländern mit kolonialer Vorgeschichte) interessierter an Daten ihrer Vorgeschichte um diese auch in eigenen, z.T. politisierten Diskursen intensiv zu nutzen und sie zu instrumentalisieren. Und in diesem Sinne treffen unserer Forschungen auf Interesse bei der Bevölkerung und wird von dieser aufgegriffen, weiter benutzt, umgedeutet. Für mich persönlich heißt das: ich kümmere mich auch nach der Generierung um die Daten, soweit ich dazu die Möglichkeit habe. Es geht mir nicht darum, eine Deutungshoheit zu schaffen, aber wenn ich sehe dass Daten in eine Richtung interpretiert werden, die stark politisiert ist möchte ich dem zumindest widersprechen – denn auch ich darf zu meinen Daten eine Meinung haben und muss das Herauspicken von dem Anderen genehmen und politisch gerade gewünschten Teilaspekten nicht widerspruchslos zusehen. Und insofern ist eine Vermittlungsarbeit in meinen Augen für jedes archäologische Projekt wichtig: Vermitteln an die unmittelbare und mittelbare Umgebung, durch Vorträge, Besuche, Publikationen jeder Art. Und: es sollte in den Lehrplan, es sollte zu jedem Studium dazugehören Daten auch vermitteln zu können oder zumindest eine Idee davoni zu haben, dass so etwas relevant ist. archäologische Daten haben geselleschaftliche Relevanz und je mehr wir sie vermitteln, desto besser können unsere Chancen für Akzeptanz und am Ende auch, ja: Geld, Fördermittel, stehen. Archäologie betrifft alle, und auch die Politik. Das ist kein Thema, das nur auf dem Pausenflur bleiben sollte.

Ausgewählte Literatur:

Boytner, R., L. Swartz Dodd & B. J. Parker (Hrsg.), 2010. Controlling the Past, Owning the Future. The Political Uses of Archaeology in the Middle East. Tucson: The University of Arizona Press.

Archäologie für Politiker, hrsg. von Dominique Oppler

Herrera Wassilowsky, A. (Hrsg.), 2013. Arqueologia y desarrollo en América del Sur. De la Práctica a la Teoría. Lima: IEP.

Holtorf, C., 2007. Archaeology is a brand. The Meaning of Archaeology in contemporary popular culture. Oxford: Archaeopress.

Ojala, C.-G., 2009. Sámi Prehistories. The Politics of Archaeology and Identity in Northernmost Europe. Uppsala: University of Uppsala.

Parzinger, H., 2012. Archäologie und Politik. Eine Wissenschaft und ihr Weg zum kulturpolitischen Global Player. RHEMA Verlag.

Schachtmann, J., et al. (Hg.), 2009. Politik und Wissenschaft in der Prähistorischen Archäologie. Perspektiven aus Sachsen, Böhmen und Schlesien. Göttingen: VR unipress.

Swartley, L., 2002. Inventing Indigenous Knowledge. Archaeology, Rural development and the raised field Rehabilitation Project in Bolivia. NY & London: Routledge.

Aktuelles Beispiel: Verquickung von Archäologie & Politik im zeitgenössischen autonomischen Diskurs in Bolivien: die “Nation Chichas” (Spanisch)

ENGLISH VERSION

Archaeology and Politics, that’s a big, a really big issue. I am working currently on a short paper & poster I will be presenting at the ADLAF on the end of June in Berlin, and, moreover, its an issue that has been on my mind for years now.

Talking with acquaintances, friends, collegaues, I got the impression that only very few are aware of the importance and relevance of the connection between archaeology and politics. I mean: we are talking on past times, aren´t we? Times, that don’t concern us dreictly, in the present, right now? Or are we not? The Past is past us – why shouldn’t we care about it now? My fascination and sensibilization for this issue can be traced to a moment years ago, when I was still studying European Archaeology, before internet became a commodity. At the faculty floors somebody mentioned the immersion of the German Archaeology of the 1920s with Nazist ideologies like “People & Space” (Volk-und-Raum-Theorie). I was electrified. Here was an actual connection between archaeology and politics? I had never thought about that! In the mid 1990ies, this was never any issue in our archaeology classes – but in the breaks themes like this came up between students.

It got even more pressing when I began my archaeological investigations in the South Andes from the year 2000 onwards. Again and again, my data and interpretations were required in public speeches and were directed to interpretations that suited the local politic elites rather well. It took some time until I gathered the courage to position myself against it and (at the same time) against the influential people that were behind these instrumentalizations and –redirection of archaeological data. I always offered my data to a very heterogeneous group of people, ranging from local –rather white skinned – elites to local habitants, indigenous groups, school children and the like. But as time went by, I increasingly vetoed against the use of short & convenient versions of my data as instruments of political tendencies, to reach political goals etc. “Data on the loose” doesn’t mean you can relax and just don’t bother anymore. Data should be monitored if their free use tends to be discriminating for some sections of the society. That, at least, is my personal opinion gathered in these years abroad. If I am capable of influencing the politicized use of my data, their presentation in a shortened “light” version that sustains political claims – then I will, I even have to intervene. I cant believe any longer that’s it the sense of science in general and archaeology in particular, to first generate a lot of data, and then let them on the loose in a supposedly “empty”, “neutral” space of science. Every archeologist should be acutely aware of the political and social relevance of his/her data and act accordingly and responsibly.

The connection between the European (and here especially German) archaeology and the ideas of the Kulturkreis and the theories on “People/Nation & Space“ have been widely presented in the last years (have a look at the bibliography). But what happens here and now to our data is another question and not many seem to be prepared for it. Because its always the same: “So, you are writing for a non-scientific public?? You are presenting your data publicly to a non-scientific section of society? Then this is archaeology vulgarized? That’s not science! Where are you scientific papers? And what for are you presenting your data to a wider public?” (The corpus of literature on this is growing as well, see bibliography below). These were questions and comments colleagues and I myself got a lot.

But reality is a complex thing: we are working in a society who is interested in our data. The reasons for this interest are manifold and varying. Cornelius Holtorf gives an excellent overview for the background of this for Western societies. In societies with a colonial background, the interest is far more complex and includes identity, nation state, autonomisation and even aspects like revenge, hate and the like.

And in these political contexts people are even more interested to use archaeological data to sustain their current political goals. Our data meet an overwhelming interest, they will be embraced, re-interpreted, re-directed. For me, personally, this means that I will take responsibility for my data and have a look at the context in which they are re-appearing. I am not interested in generating a patronization or a conclusive authority of my data, but to be sensible about their use after publication. And to intervene publicly should their use be directly political, bending data conveniently to a political goal. As a political person I have a right, too, to express my opinion about this issue and I will take this liberty and exercise my right of free opinion.

And this is also the reason why I believe that communicating archaeology is overwhelmingly important for ANY archaeological project: Communicating data to the immediate and mediate surrounding through papers, speeches, lectures, visits on the dig etc., online via homepage, blogging, whatever you like. And: it should be included in the curricula of future archeologists. We should be aware of this sphere of our work when we graduate. Archaeological data have societal relevance and if we are communicating them broadly than our possibilities to be accepted, and in the end also: to be financed, are better than if we ignore this part of our work or deem it unnecessary or a nuisance. Archaeology concerns everybody, and that means: politics too. That’s not a subject that should remain an issue of coffee breaks.

Selected readings:

Archäologie für Politiker, hrsg. von Dominique Oppler

Boytner, R., L. Swartz Dodd & B. J. Parker (Ed.), 2010. Controlling the Past, Owning the Future. The Political Uses of Archaeology in the Middle East. Tucson: The University of Arizona Press.

Archäologie für Politiker, hrsg. von Dominique Oppler

Herrera Wassilowsky, A. (Ed.), 2013. Arqueologia y desarrollo en América del Sur. De la Práctica a la Teoría. Lima: IEP.

Holtorf, C., 2007. Archaeology is a brand. The Meaning of Archaeology in contemporary popular culture. Oxford: Archaeopress.

Ojala, C.-G., 2009. Sámi Prehistories. The Politics of Archaeology and Identity in Northernmost Europe. Uppsala: University of Uppsala.

Parzinger, H., 2012. Archäologie und Politik. Eine Wissenschaft und ihr Weg zum kulturpolitischen Global Player. RHEMA Verlag.

Schachtmann, J., et al. (Hg.), 2009. Politik und Wissenschaft in der Prähistorischen Archäologie. Perspektiven aus Sachsen, Böhmen und Schlesien. Göttingen: VR unipress.

Swartley, L., 2002. Inventing Indigenous Knowledge. Archaeology, Rural development and the raised field Rehabilitation Project in Bolivia. NY & London: Routledge.

A current example: Mingling of Archaeology & Politics: the current case of the bolivian “Nation Chichas” (Spanish)


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Die Vergangenheit gehört allen?! oder: “Who owns the Past?”

“Who owns the Past?” ist eine Frage, die locker mal 206.000.000 Antworten bei Google erhält. Und das nur im englischsprachigen Netz. Denn das Thema ist genauso gut und vielleicht noch brisanter für Regionen, in denen Vergangenheit durch archäologische Forschungen lange kolonialisiert wurde und in denen die Archäologie als elitäre Wissenschaft regionale Bevölkerungsgruppen geradezu ausschloß. Es sind meiner Meinung nach die Begleiterscheinungen postkolonialer Zeiten, die die Frage „Who owns the Past?“ in diesen Regionen zu einem sensiblen Dauerbrenner gemacht hat.

Post-koloniale Archäologie ist in diesen Ländern und Regionen nicht nur eine von außen herangetragene Idee, dass nun lokale Akteure stärker eingebunden werden sollten, sondern die konkrete Möglichkeit, dass hier neue Wege der Partizipation ausprobiert werden sollten. Es geht um die Ausbildung eigener Archäologen, um das Erarbeiten und Probieren eigener archäologischer Herangehensweisen. Es geht um die Einbindung lokaler Akteure, ihrer Wünsche und Forderungen. Und es geht darum, mit archäologischen Projekten, abgesehen von den wissenschaftlichen Aspekten, Antworten auf Fragen von Identität, Gleichberechtigung und Verbesserung der Lebensumstände zu geben. (siehe hierzu auch für alle spanisch sprechenden Leser die Sonderausgabe der Chungará in der Literaturliste am Ende des Posts).

Diese Form der Archäologie ist natürlich nicht nur in post-kolonialen Regionen der Erde präsent sondern genauso in Europa, wo die Einbindung lokaler Akteure in den letzten Jahren ein wichtiger Teil archäologischer Arbeit geworden ist. Aber der Großteil postkolonialer Archäologie findet eben doch in außereuropäischen Regionen statt. Und ist dort ein sensibles, konfliktgeladenes Thema. „Vergangenheit“ ist ein Thema, dass jeden Menschen berührt, weil jeder eine Vergangenheit besitzt. Und nicht nur seine eigene, sondern durch orale Übermittlung, schulisches Lernen und kulturelles Umfeld auch eine Gruppenvergangenheit. Und diese, selbst empfundene, Vergangenheit kann stark von der von Archäologen präsentierten Variante variieren. Dieses Problem lösen zu wollen bzw. Denkanstöße zu vermitteln ist einer der Ansätze der postkolonialen Archäologie.

Indigenous Archaeology ist ein Zweig der der postkolonialen Archäologie, der daraufhin arbeitet indigene Gruppen ganz gezielt zu integrieren – in die Feldarbeit, in die Archäologie als Studienfach, in die Ausarbeitung der Ergebnisse und v.a. der Vermittlung der Ergebnisse und deren Nutzung für künftige Generationen. Es geht also um eine Interaktion auf gleicher Ebene, nicht von oben nach unten. Und da das vielen Archäologen mittlerweile wichtig ist und sie Aspekte dieser Arbeit in ihre Projekte integrieren, hat sich auch einiges innerhalb der Feldarbeit geändert.

Ich selbst stand, ganz mitteleuropäische Archäologin, vor einigen Jahren ungläubig vor einem Beitrag in einem Sammelband zu postkolonialer Archäologie, in dem eine Archäologin indigener Abstammung beschrieb, wie sie ihre Grabungen nun in runden, statt in quadratischen oder rechteckigen Grabungseinheiten durchführte. Es hatte was mit der anzestralen Idee des runden Hauses in ihrer Ursprungskultur zu tun, wenn ich mich recht erinnere. Und die Frage ist ja: so abstrus mir das vorkommt, wie viel Recht habe ich, ihr diese Idee abzusprechen? Auf welchem Niveau diskutiert man hier? Da kommen nicht nur wissenschaftliche, sondern auch ganz persönliche Fragen hoch. Und das ist einer der großen Kritikpunkte, die in diesem Blogbeitrag formuliert werden. Der Autor hat durchaus an einigen Punkten in seiner Kritik recht, natürlich ist fast jede „Post“-Richtung sehr politisch. Problematisch ist aber meiner Meinung nach genau die Frage OB es eine Archäologie oder generell Wissenschaft geben kann, die unpolitisch ist. Ich glaube nicht. Jede wissenschaftliche Arbeit ist gewollt oder ungewollt politisch, selbst wenn es der Forscher gar nicht möchte. Auch wenn wir uns GEGEN eine politische Nutzung unserer Arbeiten aussprechen ist schon diese Meinung eine politische Äußerung in ihrer eigenen Art.

Und abgesehen von eher formalen Aspekten postkolonialer und indigener Archäologie wie der Form der Grabungseinheiten – wie gehen wir als europäische oder „weiße“ Archäologen mit dem Thema um? Rassistische Konzepte und soziale Klischees greifen hier auf verschiedenen Seiten. Auch Archäologen, die selber aus postkolonialen Ländern stammen werden z.T. aufgrund ihrer helleren oder dunkleren Hautfarbe in einigen Regionen ihrer Heimatländer NICHT als Gleichberechtigte wahrgenommen. Wie geht man mit diesen problematischen Situationen um? Vorkommnisse aus 500 Jahren Kolonialgeschichte können in einem einzigen archäologischen Projekt sowieso nicht finanziell oder persönlich aufgearbeitet werden. Und: es funktioniert so auch nicht. Aber das ist schwierig zu vermitteln, viel schwieriger als Vergangenheit an sich.

Für mich persönlich als Mitteleuropäerin bedeutet die Arbeit in Südamerika auch viel Selbstreflektion. Natürlich braucht jeder Wissenschaftler Selbstreflektion, auch wenn er/sie im eigenen Land arbeitet, aber wenn zur wissenschaftlichen Arbeit an sich und der Vermittlung dieser Arbeit auch noch koloniale “Rechnungen” hinzukommen, dann verwirrt sich alles noch mehr. Postkoloniale und indigene Archäologie schärfen den Blick für eigene kulturelle Klischees und Wahrnehmungsformen. Und sie öffnen die Augen für andere Wahrnehmungen von Wissenschaft und Vergangenheit. Die Frage ist, wieweit wir diese anderen Wege gehen können und wollen – das muss jeder Archäologe für sich entscheiden. Ich halte es aber für entscheidend sich zunächst über das Problem an sich im Klaren zu sein um dann eine Entscheidung treffen zu können.

Die Frage “Who owns the Past?” wird also in den letzten Jahrzehnten zunehmend und von vielen Personen und Gruppen gestellt. Und sie wird, wie neulich in einem Coursera-Kurs zu Archäologie von den Archäologen selbst sehr sehr zurückhaltend und diplomatisch beantwortet. Es geht um Artefakte, um Erhaltungsmöglichkeiten, um die Einbindung vieler verschiedener Gruppen – wissenschaftlicher, regionaler, ethnischer. Aber es geht nur ganz am Rand bei einigen der Befragten um die implizierten Gruppen – die Wissenschaftler, die lokalen Akteure, die Anwohner. Es ist schwierig die Balance zu finden zwischen unserem archäologischen Herz und dem Wunsch soviele Personen wie möglich in unsere Arbeit und Vermittlung einzubinden. Funde müssen bewahrt werden, aber lokale Anwohner haben eine ganze Vielzahl von nicht-archäologischen Ansichten hierzu. Entwicklung ist etwas, dass sich viele Menschen wünschen, aber Arhcäologie mag nciht immer das richtige Werkzeug sein um sich ein besseres Leben aufzubauen. Undsoweiter.

Meiner Meinung nach lässt sich die Frage denn auch viel einfacher beantworten: Vergangenheit gehört den Menschen im Allgemeinen. Und es gibt auch nicht DIE Vergangenheit, sondern nur immer wieder veränderbare Versionen, die auch nebeneinander existieren können. Zunächst und ganz vorne steht aber die Antwort: Vergangenheit gehört zunächst und vor allem den Menschen der Region, in der wir als Archäologen arbeiten. So wie hier in dieser Reportage Nikolai Grube sagt, als es um die Zukunft der Mayaforschung geht: “Ich würde mir für die Mayaforschung wünschen, dass sie letztlich denjenigen zugute kommt, die die Erben dieser Kultur sind. Das sind die vielen Maya, die heute noch leben (…) und die von ihrer eigenen Geschichte losgelöst und abgekoppelt sind durch die Folgen des Kolonialismus. Ich denke, die heutige Mayaforschung muss den Maya einen Teil ihrer Geschichte zurückgeben und wenn sie das kann, hat sie eigentlich ihr edelstes Ziel erreicht!” (Quelle: “Sternenkriege der Maya”, Teil 2, Minute 41 ff.).

Bücher zum Thema:

C. Smith & H.M: Wobst (Ed.), 2004: Indigenous Archaeologies – Decolonizing Theory and Practice. Routledge. http://www.amazon.de/Indigenous-Archaeologies-Decolonising-Practice-Archaeology/dp/0415589061

J. Lyden & U. Rizvi (Ed.), 2011: Handbook of Postcolonial Archaeology. Left Coast Press.

http://www.lcoastpress.com/book.php?id=299

M. Liebmann (2010): Introduction: The Intersections of Archaeology and Postcolonial Studies. In Liebmann & Rizvi (Ed.) Archaeology and the Postcolonial Critique. Lanham/New York: Altamira Press.

Download on Academia.edu: http://www.academia.edu/1558671/The_Intersections_of_Archaeology_and_Postcolonial_Studies

 Regional bezüglich der Anden: Sonderausgabe Chungará 2003/2 zum Thema Arqueologia Social y Comunidades Indigenas en el Norte de Chile / Sur de Bolivia: http://www.chungara.cl/index.php/vol35-2

Beispiel für ein Symposium zum Thema in Argentinien: http://www.soc.unicen.edu.ar/observatorio/simposio-pueblos-originarios-y-arqueologia.php

Leicht lesbarer, aber ziemlich einseitiger Einblick zum Thema NAGPRA/ USA: J. Benedict: No Bone unturned: The adventures aof a Top Smithsonian Forensic Scientist and the lega battle for Amreicas oldest skeletons.

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ENGLISH VERSION

“Who owns the past?” is a question that get´s more than 206.000.000 answers on google. And this is only the English speaking part of the world. Because this question is even more sensible and hotly debated in parts of the world which have a colonial past and where archaeology has long since played the role of an elitist science which excluded the majority of the population. In my opinion that´s part of the aftermath of colonial times and the companion of post-colonial ones and it makes the question “Who owns the past?” an ever burning question in these regions.

Post colonial archaeology in these countries and regions is not an idea that has been imposed to have local protagonists more involved, but this idea represents the possibility to try new ways of scientific participation. It concerns the education of their own “national” archaeologists, the development of their own distinct archaeological approaches. It is about the involvement of local actors and their wishes and demands. It´s about the answers that archaeological projects can give to question concerning identity, equal opportunities and the improvement of living environments. (If you read Spanish, have a look at the special edition of the journal Chungará, cited at the end of this post).

Naturally, this version of archaeology is to be found everywhere around the globe, not only in the post colonial regions of the world. It’s the same in Europe where the involvement of local actors has become an important part of archaeological work during the last years. But a better part of post colonial archaeology is taking place in regions outside Europe. And it presents a highly sensible, emotional theme. “The Past” is something that touches everybody directly, because everybody has a past. And not only a personal past but also, through oral traditions, schooling and community experiences, a community past. And this “felt” past can differ radically from the version of the past that archaeologists present. In my opinion it is one of the main goals of post colonial archaeology to solve these problems or to offer thought-provoking impulses.

Indigenous Archaeology is a branch of post colonial archaeology which works to integrate indigenous groups directly into scientific work – this means during field work, in the study of archaeology at university and most of all, in the procurement of the results of archaeological investigation and their use for future generations. So, it´s about interaction on an equal level between the archaeologist and the local communities and protagonists. This is increasingly important to many archaeologists and has been integrated into many aspects of archaeological investigation – which has led to profound changes in archaeological field work.

As an archaeologist from Central Europe I was confronted a couple of years ago with the work of an archaeologist with indigenous roots, who presented a new form to conduct her excavations. Instead of using the “classical” rectangular spaces and grids of an excavation pit, she worked with circular excavation pits, because this resonated with the ancestral idea of round houses of  her indigenous background. And the question is: I may find this disturbing or even absurd, but do I have the right to reject her idea? On which level are we discussing when it comes to these technical terms? Is it only about certain investigation techniques? Or are there personal factors as well that play an unconscious role? There are many scientific and personal questions arising. And this is also one of the criticisms post colonial archaeology has received. In my opinion, this blog post resumes many of them. Some of these critiques are understandable, especially when it comes to the political dimensions of theoretical currents. But in my opinion the most problematical point is the question if there could be an archaeology or in that case any science that can be apolitical. I don´t think so. Every scientific work is political, and that´s not a matter if the scientist wishes it to be so or not. Even when we take a decision to be AGAINST a political use of our work we are already taking a decision that has a political impact.

And disregarding any formal aspects of post colonial or indigenous archaeology like the layout of our excavation pits mentioned above – how can we deal with this indigenous and post colonial archaeological current, being European or “white” archaeologists? Racist concepts and social clichés are being actively used or at least passively underlying on both sides – by archaeologists and local people alike. Even archaeologists that are native from post colonial countries are known to have been discriminated and badly treated for their lighter or darker skin in some parts of their own country – so this is not exclusively an “1st world” – “3rd world” (or “whatever world”) problem. How do we deal with these problematic situations during fieldwork? It´s simply not possible to rehabilitate 500 years of colonial history during one field season, not in the personal realm and surely not in the financial realm, either. And it doesn´t work like that, anyway. But these details are difficult to communicate, often much more difficult than the archaeological past.

For me as a central European woman working in South America means a lot of self reflection. Of course, every scientist should be self reflective and self conscious when it comes to his/her work, even when working in our home countries. But if our work and the communication of our work present additional layers of (post) colonial meaning and history, everything gets too entangled to be easily solved. Post colonial and indigenous archaeology enable us to get a more detailed view of our own cultural clichés and perceptions, concerning the implications of our work and our own personalities involved in the investigation. They open our eyes for different perceptions of science and the past. The question is how much do we dare to integrate these new views into our work – and that is a question that every archaeologist has to answer for him/herself. But I think it´s decisive to be clear about the existence of this problem to be able to take a decision when the time comes.

So, the question „Who owns the Past?” has been put before us increasingly in the last decades – and it came from a variety of social and scientific groups or protagonists. And the question is being answered only reluctantly and evasively – as was the case, e.g., in the Coursera course on archaeology I attended. The answers were so diplomatic and cautious, they mainly centered on artifacts and the possibilities to maintain and preserve them, they included themes like the inclusion of many different groups of people – scientific, regional, and ethnical. But there were little palpable answers when it came to the actual people involved: THE scientist, THE archaeologist, THE local people. It´s difficult to find the balance between our archaeological heart and the wish to integrate as many people as possible into our work and its communication. Artifacts have to be preserved, but local people may have a multitude of non-archaeological opinion about this. Development is something people want but archaeology may not always be the tool to get a better living.

But besides all these contradictions, in my opinion, the answer to this question still is pretty clear: the past belongs to all people, in general. And there is not one past but a multitude of pasts, interchangeable versions that can coexist. But foremost there is the answer that the past belongs foremost to the people of the region where we actually work as archaeologists. So let´s finish this with a quote from Nicolai Grube in a documentation about Maya archaeology: “I would like the investigation of Maya history to benefit ultimately the people who are the heirs of these cultures. These are all the Maya that live today and that find themselves uncoupled from their own history due to the consequences of colonialism. I think that contemporary Maya archaeology and investigation has to restore a part of history to the Maya and if this can be achieved, then the noblest goal of this investigation has been achieved, too. (Quelle: “Sternenkriege der Maya”, Teil 2, Minute 41 ff.).

related Books:

C. Smith & H.M: Wobst (Ed.), 2004: Indigenous Archaeologies – Decolonizing Theory and Practice. Routledge. http://www.amazon.de/Indigenous-Archaeologies-Decolonising-Practice-Archaeology/dp/0415589061

J. Lyden & U. Rizvi (Ed.), 2011: Handbook of Postcolonial Archaeology. Left Coast Press.

http://www.lcoastpress.com/book.php?id=299

M. Liebmann (2010): Introduction: The Intersections of Archaeology and Postcolonial Studies. In Liebmann & Rizvi (Ed.) Archaeology and the Postcolonial Critique. Lanham/New York: Altamira Press.

Download on Academia.edu: http://www.academia.edu/1558671/The_Intersections_of_Archaeology_and_Postcolonial_Studies

Regarding the South Andes: Special edition of the journal Chungará 2003/2 on: “Arqueologia Social y Comunidades Indigenas en el Norte de Chile / Sur de Bolivia”: http://www.chungara.cl/index.php/vol35-2

Symposium: http://www.soc.unicen.edu.ar/observatorio/simposio-pueblos-originarios-y-arqueologia.php

An easy to read but not well written introductorily book that is clearly partial in its description of the events on NAGPRA/ USA: J. Benedict: No bone unturned. The Adventures of a Top Smithsonian Forensic Scientist and the Legal Battle for America’s Oldest Skeletons.